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  • Anette Schwohl

Derridas Dekonstruktionsgedanke in der Bildenden Kunst

Zur Ausstellung "Janus - Das Goldene Zeitalter" von Jan-Ulrich Schmidt in der Galerie Dora Ostrovsky in Frankfurt, noch bis 29.08.2020: https://janus.one/


Zum Ausstellungskatalog, der zur Ausstellung "Janus - Das Goldene Zeitalter" erscheint, habe ich einen Beitrag geschrieben, der sich mit Derridas Dekonstruktionsgedanken, bezogen auf die Kunst von Jan-Ulrich Schmidt bezieht "Never a frown with golden brown". Und natürlich ist da auch ein feministischer Gedanke von mir drin ;-).


Hier ein Ausschnitt aus dem Text:

"Bei dem Versuch, die Ideen von Derrida von der Sprache, vom Text auf die Malerei zu übertragen, gehe ich auf Schmidts Bild „Rosalba Carriera – Mädchen mit Papagei“ ein.

Die Pastellmalerin wurde bewundert für ihre Meisterschaft in der Wiedergabe der schimmernden, spitzen- und rüschenbesetzten Gewänder, des funkelnden Schmucks, der Blumen im Haar. Ihre Bilder drückten allen Charme und Eleganz der verspielten, koketten Epoche des Rokoko aus.

Wir glauben sofort, dass das Bild des Papageien etwas ausdrücken will, sonst hätte die Künstlerin ihn nicht dargestellt - so denken wir zumindest, doch vielleicht ist er nur Staffage. Tatsächlich jedoch kann er uns etwas erzählen, und das kann ganz unterschiedlicher Natur sein, je nachdem, wie wir als Betrachter*innen kulturell konnotiert sind.

Der Papagei kann ein Spielgefährte des Mädchens sein, er kann das Wappentier der Familie sein, er steht für Sprechen, für Intelligenz und für Originalität, in Märchen ist er der weise und gewitzte Ratgeber, in Indien gilt er als Sinnbild der freien Liebe und als Hüter der Tugenden … Wir sehen, je nach kulturellem Zusammenhang verändert sich seine Bedeutung. Die Betrachter*innen haben die Freiheit, hier jeweils eine eigene Identifikationsebene für sich herzustellen.

Sehen wir nun den Papagei im Zusammenhang mit dem Mädchen: Es blickt die Betrachter*innen direkt kokett an, das geöffnete Mieder – da ist Bewegung, es wird gerade geöffnet -, gibt noch nicht alles preis. Das Mädchen scheint „Hilfe“ von dem Papageien auf ihrer Hand zu erhalten, sie trägt eine Perlenkette, die locker, schwungvoll um die rechte halbentblößte Brust drapiert ist. Alles in diesem Pastell, auch die Rosen, die Perlen, die Spitzen, der Blick, das Lächeln, das hellblaue Gewand … spricht von der erwachenden Lust einer jungen Frau. Das ist das Bedeutende in Barthes´ Sinn. Das ist die Hermeneutik in Derridas Sinn. Derrida würde uns nun auffordern, dieses Bild von seinem Narrativ zu befreien, es aus seinem Kulturzusammenhang zu lösen, die Zeichen ihrer Bedeutung zu berauben. Die nackte Aussage der einzelnen Teile würde uns vielleicht wieder in die Lage versetzen, den gesellschaftlichen Status der Frau, des Weiblichen zu durchschauen.

Haben wir hier wirklich ein selbstbewusstes Mädchen vor uns oder ist es das Idealbild einer männlich dominierten Gesellschaft, wie sie sich das „Weibliche“ wünscht?

Schmidt dekonstruiert dieses komplexe Bedeutungsgefüge und reduziert das Pastell auf seine reinen Farbwerte. In seinem Gegenstück hat er den pudrigen, leichten Charakter der Farben Carrieras beibehalten.

Das Original wirkt in der Gesamtansicht durch die Wahl des Materials Pastell eher zart und hell in der Farbskala. Betrachten wir hierzu Schmidts Farbdekonstruktion, sehen wir, dass zumindest die Hälfte der Farbpalette im dunklen Bereich liegt.

Das befähigt uns als Betrachter*innen, völlig neu über dieses Kunstwerk nachzudenken. Das Verspielte, Kokette tritt in den Hintergrund und hervor tritt das Dunkle, das Abgründige, das natürlich auch als Aussage in dem Bild enthalten ist; nur, dass wir auf diesem Auge blind waren.

Es ist hier also nicht die Sprache, die uns einen Zugang zum Verständnis der Welt bereitet, sondern es sind die Emotionen, für die Schmidt die Farbstreifen als Medium benutzt."

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